Volvo Alkoholkontrolle
Freiwillige Alkoholkontrolle
Man hat sich ja an vieles gewöhnt, beim Autofahren. An diverse Helferlein etwa, meist mit drei Buchstaben, so wie ABS, ESP, GPS, ASR, usw. Oder daran, dass man den Kofferraumdeckel nicht mehr selbst schließen muss, weil der von einem kleinen Motor zugezogen wird. Oder daran, dass sich die Wagentüren bei Annäherung des Besitzers selbst entriegeln („keyless entry“). Oder dass eine nette Damen- oder Herrenstimme einen zum Ziel führt und ab und an auffordert: „Bitte wenden“.
Ach was waren das noch Zeiten, als ein VW Käfer einen Tacho und Kilometerzähler hatte, Kurbelfenster, von außen und per Hand verstellbare Rückspiegel und ausstellbare Dreiecksfenster. Diese Zeiten sind vorbei, die Hersteller lassen sich immer neue Gimmicks einfallen. Manche dienen der Sicherheit (Spurassistent, Abstandsradar, Wärmekameras), andere der Bequemlichkeit (beheizte Lenkräder), andere sind einfach nur „nett“ (wie der „Duftspender“ bei Citroen“).
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Wir haben uns daran gewöhnt, dass man mit Extras aller Art den Grundpreis eines Neuwagens locker verdoppeln kann. Das dient der Ankurbelung der Wirtschaft, schafft und sichert Arbeitsplätze und ist absolut okay so. Ab und an treibt der Fortschritt aber auch seltsame Blüten. Wie etwa jetzt, bei Volvo.
Nein, die Anzeige im Cockpit: „Schwächer blasen“ ist keine Aufforderung eines pubertierenden Teenies an seine Freundin zu behutsamerem Oralsex. Und die Aufforderung „5 Sekunden blasen“ richtet sich auch nicht an Quickie-begeisterte Jungs und/oder Mädels. No, Sir – um solch spezielle Fragen des „Verkehrs“ kümmern sich auch moderne schwedische Autos (noch) nicht.
„Stärker blasen“ ist auch nicht die an meinen Freund Thomas, er spielt Trompete im örtlichen Musikverein des Eifelorts Kruft, gerichtete Empfehlung, sein Blasinstrument deutlicher vernehmbar zu spielen. Nein, es sind Anzeigen von „Alcoguard“, einem „Kontrollsystem zur Vermeidung alkoholbedingter Verkehrsunfälle“. Das hat Volvo
zur Serienreife gebracht, die Schweden bieten es für die meisten aktuellen Modelle auf dem deutschen Markt an. Wow. Wenn der Atemalkoholwert beim Fahrer einen definierten Wert überschreitet, verhindert das Gerät das Starten. Die entsprechende Pressemitteilung von Volvo verrät weiter: „Das Gerät ist vollständig in das Fahrzeug integriert“. Das wundert wenig – was sollte ein solches System denn auch auf dem Dach des Autos? Aber es kommt noch besser: „Alcoguard arbeitet mit modernster Brennstoffzellen-Technologie“. Darauf hat die Welt gewartet. Brennstoffzellen-Technologie, die den Wagen nicht antreibt – sondern mit alkoholisiertem Fahrer hinter dem Steuer gar nicht erst starten lässt.
Bevor ein Volvo mit Alcoguard gestartet werden kann, muss der Fahrer eine Atemprobe abgeben. Dazu bläst er in ein Mobilgerät, etwa so groß wie eine Fernbedienung. Das Gerät analysiert den Atem und schickt die ermittelten Werte per Funksignal an die Fahrzeugelektronik. Bei einem Alkoholwert über einer bestimmten Grenze (eingestellt werden können Werte zwischen 0,3 und 0,8 Promille) kann der Wagen nicht gestartet werden. Farbige LED-Leuchten zeigen im Gerät das Ergebnis der Messung an. Grün steht für „Start freigegeben", Gelb für „Fahren nicht empfohlen, aber Start freigegeben" und Rot für „Start blockiert". Das Informationsdisplay des Wagens gibt durch verschiedene Anweisungen (siehe oben) Hilfe bei der Anwendung.
Bei Alcoguard hat der Kunde die Wahl zwischen zwei Software-Ausführungen. Bei der Variante „Single Bypass" lässt sich Alcoguard einmal umgehen, danach muss das Fahrzeug zum Reset von Alcoguard in die Werkstatt. Bei der „Multiple Bypass" Version kann die Blockierfunktion beliebig oft außer Kraft gesetzt werden. Kein Problem, denn die Nutzung des Volvo Alcoguard ist freiwillig. In Schweden machen allerdings erste Gewerbekunden bei Ihren Firmenautos die Nutzung des Systems im Rahmen von Arbeitsverträgen zur Pflicht. Alcoguard kostet 850 Euro, dazu kommen die Einbaukosten. Die sollen, je nach Modell, bei 50 bis 90 Euro liegen. Dabei sollte eigentlich jeder – ganz kostenfrei – wissen, dass man sich nach übermäßigem Alkoholgenuss nicht mehr ans Steuer eines Fahrzeugs setzt. Aber es war eben schon immer etwas teurer ... wenn man sich die neuesten Goodies der Automobil-Hersteller leisten will.
Quelle: Gerhard Prien