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Fahrzeuge/Sonstiges

SARTRE Projekt

Erste autonome Kolonnenfahrt auf öffentl. Straße

Die Kernaussage von Jean-Paul Sartres Drama „Geschlossene Gesellschaft“ ist klar und eindeutig: „„Die Hölle, das sind die anderen“. Das sehen viele Autofahrer heutzutage ebenso – wenn sie an die anderen Verkehrsteilnehmer denken, die mit ihnen gemeinsam auf den Straßen unterwegs sind. Die Europäische Kommission finanziert zum Teil ein seit 2009 laufendes Projekt unter dem Namen des französischen Philosophen mit. SARTRE steht für "Safe Road Trains for Environment" – im Rahmen des Projekts ging jetzt die erste Fahrt einer Fahrzeug-Kolonne ohne Eingriffe der Fahrer im öffentlichen Straßenverkehr erfolgreich über die Bühne.

Der Praxistest in Spanien, in der Nähe von Barcelona, führte über eine Strecke von 200 Kilometer. Der Kolonnentest wurde im normalen Alltagsverkehr erfolgreich durchgeführt. Die Kolonne aus einem Volvo XC60, einem Volvo V60, einem Volvo S60 und einem Lkw bestehende Kolonne folgte mit Geschwindigkeiten von bis zu 90 Stundenkilometern vollkommen autonom dem Führungswagen – ohne jegliches Eingreifen der jeweiligen Fahrer. Linda Wahlström, Projektmanagerin bei Volvo, erklärt: „Wir haben an einem Tag rund 200 Kilometer zurückgelegt und sind mit dem Ergebnis hochzufrieden“. Am SARTRE Projekt sind neben der Volvo Car Corporation – als einzigem Automobilhersteller – sechs weitere europäische Unternehmen beteiligt, darunter Ricardo UK Ltd, Applus+ Idiada, Robotiker und das Institut für Kraftfahrzeuge Aachen (IKA).

Bei einer Kolonnenfahrt sind mehrere Fahrzeuge durch Sensoren untereinander und mit dem Führungswagen verbunden, mit dem sie sich auch verständigen. Dabei werden verschiedene Techniken eingesetzt, die schon heute in Serienmodellen Verwendung finden, etwa Kameras, Radarsysteme oder Lasersensoren. Das Führungsfahrzeug wird von einem Fahrer gelenkt und bedient, die Fahrzeuge in der Kolonne folgen im konstanten Abstand vollkommen autonom. Ihre Fahrer können etwa ein Buch lesen, am Laptop arbeiten, eine SMS schreiben oder sich ganz einfach ausruhen und entspannen. Die Volvo-Modelle sind mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet, mit deren Hilfe die Autos selbsttätig Gas geben, bremsen und die Lenkung bedienen können. Nähert sich ein Fahrzeug seinem individuellen Ziel, übernimmt der jeweilige Fahrer wieder das Steuer und schert aus der Kolonne aus; die anderen Kolonnenfahrzeuge rücken dann automatisch auf.

Für die Fahrzeuglenker ist es zunächst etwas ungewohnt und beinahe unheimlich, bei einem Tempo von 85, 90 km/h untätig in einem Fahrzeug zu sitzen, das sich bei einem Abstand von gerade mal sechs Metern zum Vordermann wie von Geisterhand bewegt. Ein Ergebnis des Tests innerhalb des SARTRE Projekts ist die Erkenntnis, dass sich die Fahrer an den ungewohnten Zustand relativ schnell gewöhnen.

Das eigenständige Fahren von Autos im Kolonnenverkehr auf öffentlichen Straßen bringt zahlreiche Vorteile: Der Verkehrsfluss wird verbessert, die Fahrzeiten werden verkürzt, Unfälle können verhindert werden, der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen werden gesenkt – und außerdem erhöht sich der Komfort für jeden einzelnen Fahrer, da er sich nicht ständig auf den Straßenverkehr konzentrieren muss. In der nächsten Phase des Projektes werden der Kraftstoffverbrauch und die Schadstoffemissionen analysiert.

„Die erfolgreiche Kolonnenfahrt auf einer öffentlichen Straße inmitten anderer Verkehrsteilnehmer ist ein echter Meilenstein in unserem Projekt“, so Linda Wahlström. „Während wir bei den Fahrten auf abgesperrten Teststrecken mit Abständen zwischen fünf und fünfzehn Metern geprobt haben, sind die Fahrzeuge dieses Mal bei einer Geschwindigkeit von 85 km/h in einem konstanten Abstand von sechs Metern zueinander gefahren“, fügt sie hinzu.

In den vergangenen drei Jahren habe das Projekt-Team viel gelernt. Und sie ergänzt: „Die Leute denken, autonomes Fahren in einer Kolonne sei Science-Fiction, doch die technischen Voraussetzungen sind längst geschaffen. Der Kolonnenverkehr wird in der einen oder anderen Form bald Realität sein“. Linda Wahlström weiter: „Wir haben besonderen Wert darauf gelegt, so wenig wie möglich an bestehenden Systemen oder Infrastrukturen zu verändern oder teure Zusatzkomponenten zu entwickeln. Abgesehen von der Software, die eigens für das Projekt entwickelt wurde und die die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander ermöglicht, unterscheiden sich die Automobile in keiner Weise von ganz normalen modernen Serienfahrzeugen.“

Quelle: Gerhard Prien