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4x4-Fahrzeuge/Fahrzeuge

LandRover Defender 110 CrewCab

Brite recht freundlich

Die Kiste ist ein echtes Statement. Ein unübersehbares dazu. Sie ist immerhin 463 Zentimeter lang, ohne Außenspiegel rund 180 Zentimeter breit und gut zwei Meter hoch. Unübersehbar auf dem Parkplatz eines Supermarkts. Auch wenn sie da eigentlich gar nicht hingehört, die Kiste. Die Rede ist von einem 110-er Crew Cab.

Der komplette Name ist fast so lang wie das Fahrzeug. Land Rover Defender 110 Crew Cab. Uff. Emotionslos und nüchtern betrachtet handelt es sich beim Crew Cab um einen Pick-Up, also einen Pritschenwagen mit einer Doppelkabine. Mit einer viertürigen Karosserie, die fünf Sitzplätze bietet. Dahinter befindet sich, vom Innenraum des Fahrzeugs fein säuberlich getrennt, ein offener Laderaum. Der ist 110 Zentimeter tief und hat eine Breite von 145 Zentimetern, zwischen den Radkästen sind es noch 95 Zentimeter. Mit einer maximalen Zuladung von 1.263 Kilogramm darf man dem Crew Cab auch ganz schön was drauf packen. Für 390 Euro Aufpreis gibt es eine Plane, damit die Ladung nicht nass wird. Vor unbefugtem Zugriff ist sie allerdings nicht geschützt: Zwei Reißverschlüsse öffnen, drei Spanngummis lösen, schon ist der Zugang zum Ladungsabteil möglich. Wenn das Ladegut nicht auf die Pritsche passt, ist das auch kein Thema. Schließlich liegt die maximale Anhängelast (gebremst) bei 3,5 Tonnen. Was all jene freuen wird, die schwergewichtige Caravans, Pferde- oder Bootsanhänger ziehen wollen.

Als Pick-Up gehört der Defender Crew Cab ohnehin schon zu einer Minderheit im Alltag auf deutschen Straßen. In den USA sind Pick-Ups ausgesprochen beliebt. Dort führen sie seit Jahren die Zulassungsstatistiken an, in denen sie in Deutschland kaum eine Rolle spielen. Obendrein stammen die meisten hierzulande verkauften Pick-Ups aus japanischer Produktion, seit ein, zwei Jahren spielt nun auch der Amarok von VW in dieser automobilen Nische mit. Der Defender taucht im Straßenbild hierzulande zwar durchaus auf, aber als viertüriger Pritschenwagen ist er so selten anzutreffen wie ein Kondomautomat im Vatikan. Um ihren Nachwuchs in den Kindergarten oder zur Schule zu fahren, nutzen deutsche Mütter und Väter meist doch lieber leistungsstarke SUVs aus heimischer Produktion. Da stellt der Kauf eines Defenders Crew Cab schon eine eindeutige Ansage dar. Ein Bekenntnis zum robusten, kernigen, ehrlichen Fahrzeug – zur Beschränkung auf das Wesentliche, ohne überflüssigen Schnickschnack oder Luxus. Der Defender ist so gezeichnet, wie ein Kind ein Auto malen würde. Quadratisch, praktisch, wie mit dem Lineal gezogen. Gerade Linien, rechte Winkel überall, bis auf die Beleuchtungseinheiten und die Räder.

Wer Defender fährt will ankommen, nicht rasen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h kann man sich zwar durchaus auch mal auf deutsche Autobahnen trauen, aber seien wir ehrlich: So richtig Spaß macht das nicht unbedingt. Für die rasche Tour von Flensburg nach Garmisch-Partenkirchen gibt es besser geeignete fahrbare Untersätze. Der Defender sieht immer so aus, als wolle er eigentlich gleich nach Timbuktu aufbrechen, oder auf die alte Gräberpiste. Auch, wenn er nur auf dem Parkplatz des Supermarkts steht. Dort lässt er sich mit einer Höhe von rund zwei Metern immer leicht finden, und in den „Kofferraum“ auf der Pritsche passt locker der Monatseinkauf für eine vierköpfige Familie. Oder das Arbeitsgerät eines Handwerkers, der auf den Allradantrieb angewiesen ist, etwa beim Gartenbau.

Der Crew Cab ist kein aufgebrezelter lifestyliger Lust-Laster aus dem Windkanal, sondern ein geradliniges, kerniges und echtes Arbeitsgerät. Das merkt man ihm auch deutlich an. Vorne und hinten hat der Defender Starrachsen und Schraubenfedern, für das Durchkommen abseits befestigter Straßen verfügt der Brite über einen permanenten Allradantrieb, Mitteldifferenzial-Sperre und Geländeuntersetzung. Die Bodenfreiheit liegt bei mindestens 314 Millimeter, die maximale Steigfähigkeit bei 45 Grad und die Wattiefe bei 500 Millimetern. Für den Einsatz in urbanen Umgebungen – und bei jedem Wetter und jedem Untergrund – mehr als ausreichend.

Praxisorientiert und ohne Schnörkel gibt sich der Defender, dessen Ahnenreihe sich bis 1948 zurückverfolgen lässt, auch im Innenraum. Wenn man den erst mal erklommen hat, sitzt man schön hoch und genießt eine wunderbare Übersicht.

Das Armaturenbrett ist übersichtlich, gehässige Menschen würden es karg nennen. Drehzahlmesser, Tacho und ein Instrument für Wassertemperatur und Kraftstoffvorrat, mittig im Armaturenbrett gibt es eine Zeituhr – das war’s. Langt ja auch. Die optionale Ablagebox (Aufpreis 180 Euro) zwischen den Vordersitzen hat eine schon fast erschreckende Tiefe und Größe – da passt allerhand rein, was man unterwegs so braucht. Schlicht doof gelöst ist die Betätigung der Hupe durch Drücken eines Hebels. Das Auslösen der Hupe sollte, man kann es offenbar nicht oft genug sagen, durch einen Druck auf den Pralltop des Lenkrads geschehen.

Etwas ungewohnt ist für Neulinge im Defender auch die Lage des Zündschlosses links der Lenksäule - wie bei Porsche. Durch Drehen des Zündschlüssels erweckt man den 2,2-Liter-Dieselmotor mit 90 kW / 122 PS zum Leben - anders als bei Porsche. Das Euro-5-Triebwerk ist das neue Antriebsaggregat im Defender, mit serienmäßigem Rußpartikelfilter und einem maximalen Drehmoment von 360 Nm bei 2.000 U/min. Die sechs Gänge wollen manuell und mit Nachdruck gewechselt werden. Klar, dass der leer rund 1,8 Tonnen wiegende Crew Cab mit seinen 122 Pferdestärken kein Rennwagen ist. Aber er bewegt sich doch, und er erzieht zur Gelassenheit. Lass sie doch alle rasen, wir kommen auch so an. Meist nur unwesentlich später als die Raser – aber eben entspannter, gelassener. Und mit einem Verbrauch, der im Durchschnitt bei elf bis zwölf Litern Diesel auf 100 Kilometer Fahrstrecke liegt. Das ist auch dem Umstand zu danken, dass sich das Reisetempo auf deutschen Autobahnen beinahe automatisch so um 110 km/h einpendelt - mal ein bisschen mehr, mal ein bisschen weniger.

Der Umstieg von einem modernen Pkw auf den Defekter ist wie eine Zeitreise. Vieles, was wir an Komfort in einem modernen Automobil gewohnt sind, fehlt - ebenso wie eine Spitzengeschwindigkeit von jenseits der 200 km/h. Die schafft der Defender nur im freien Fall. Dennoch macht er richtig Spaß - wenn man die richtige Einstellung mitbringt. Wer einen Wagen für die tägliche Autobahnhatz sucht, ist beim Defender an der falschen Adresse. Der kernige Allradler schaut nicht nur aus wie das leibhaftige Abenteuer, man kann es auch mit ihm wagen. Wer einen Wagen mit Stil sucht, mit klassischem Outfit, der auch etwas ruppigere Behandlung nicht übel nimmt, der ist mit dem Briten gut bedient. Den vor der Tür stehenden Crew Cab bedachte ein guter Freund mit den Worten: "Ach, der wird noch gebaut? Ich dachte, das sei ein gut restauriertes älteres Schätzchen".

Ab 30.890 Euro ist der Klassiker von der Insel als Defender 110 Crew Cab E zu haben. Sinnvoll sind Klimaanlage (Aufpreis 1.690 Euro) und ABS (Aufpreis 1.850 Euro). Auf Airbags müssen Defender-Fans leider nach wie vor verzichten. Daran wird sich wohl auch künftig nicht viel ändern, denn das Ende der 4x4-Legende Defender ist in Sicht. Ab 2015 dürfte es mit dem kantig-kultigen Offroader vorbei sein. Die Gründe liegen in den nur schwer erfüllbaren Anforderungen des Fußgängerschutzes und wohl auch in der nicht recht lohnenden Fertigung. Denn die Produktion des Defenders ist eher Handarbeit wie in einer Manufaktur als hochtechnisierte automobile Massenproduktion. In der Zeit, in der knapp 50 Discovery gefertigt werden, rollen vom Defender gerade mal acht Exemplare aus den Produktionsstätten. In drei Jahren dürfte also Schicht im Schacht sein für das britische Allrad-Urgestein, das seit mehr als sechs Jahrzehnten weltweit im Einsatz ist. Die gute Nachricht: Noch ist der Defender zu haben. Fans können noch zwei, drei Jahre zugreifen, bevor der Run auf die letzten Exemplare einsetzt.

Wer den Crew Cab nicht mag, oder nicht braucht: Den Defender gibt es in drei Radständen (als 90, 110 und 130 – die Zahlen stehen für die Länge des Radstands in Zoll) und in fünf Karosserieformen (darunter Hard Top, Station Wagon oder Pick-Up). Reichlich Auswahl also für die Liebhaber des kernigen Offroaders, der in seiner Art auf dem deutschen Markt kaum noch Wettbewerber hat. Sie sterben aus, die echten, kernigen Offroader. Und auch der Nachfolger des Defekter wird sicher etwas weichgespülter ausschauen als das Original. Wer die Optik mag, den Allradantrieb braucht (oder einfach will) und mit bescheidenen, aber ausreichenden Endgeschwindigkeit leben kann, sollte zuschlagen. Bevor die letzten echten Allradler endgültig ausgestorben sind.


Land Rover Defekter 110 Crew Cab - Technische Daten:

Länge 4.631 mm, Breite 1.790 mm (ohne Spiegel), Höhe 2.035 bis 2.100 mm, Radstand 2.794 mm, Wendekreis 12,8 Meter, Leergewicht 1.787 Kilogramm, zulässiges Gesamtgewicht 3.050 Kilogramm, Tankinhalt 75 Liter, maximale Anhängelast 750 Kilogramm (ungebremst), maximale Anhängelast 3.500 Kilogramm (gebremst), Mindestbodenfreiheit 315 mm, maximale Steigfähigkeit 45 Grad, maximaler Böschungswinkel 49 Grad vorne und 35 Grad hinten, maximale Wattiere 500 mm, Vierzylinder-Reihenmotor, Hubraum 2.198 ccm, Leistung 90 kW / 122 PS bei 3.500 U/min, maximales Drehmoment 360 Nm bei 2.000 U/min, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 17 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 145 km/h. Preis ab 30.890 Euro (Defender 110 Crew Cab E).

Quelle: Gerhard Prien